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«Ich trinke keinen *** Merlot!» tobt der Hollywoodschauspieler Paul Giamatti im Film «Sideways», als ob ihm diese Traubensorte persönlich seine Oscars gestohlen hätte! Zwar ist in dem Kultfilm der Wein allgegenwärtig und jeder Weinliebhaber sollte ihn gesehen haben, aber die eigentliche Handlung dreht sich um die epischen Schlachten zwischen den beiden Hauptfiguren. Um Paul Giamattis Charakter, diesen geschiedenen und gescheiterten Autor zu illustrieren, haben sich die Drehbuchautoren etwas Besonderes ausgedacht: Sie machen ihn zu einem Fanatiker des Blauburgunders und einem erbitterten Feind des armen Merlots. Das Ergebnis? Das Publikum glaubte ihm jedes Wort und schwor, nie wieder Merlot zu trinken! Kurz nach dem Filmstart explodierte die Nachfrage nach kalifornischem Blauburgunder, während Merlot in den Weinregalen einsam vor sich hin staubte. Das nennt man heute den „Sideways-Effekt“. Ja, Filme und Serien können tatsächlich unser Verhalten beeinflussen. Wir lassen uns lieber von Schauspielern auf der Leinwand überzeugen als von echten Weinexperten! Allein auf das Konto meines Lieblings-Leinwandalkoholikers James Bond geht ein halbes Dutzend Fehlinformationen über diverses Alkoholika. Ich kämpfe regelmäßig gegen die Wein-Weisheiten von Menschen, die von Wein so viel Ahnung haben wie ein Goldfisch von Quantenphysik. Da ist zum Beispiel der Grossvater einer Kundin, der seit den 60er Jahren behauptet, alle Schweizer Weine seien sauer. Die Tante der Coiffeuse eines Kunden ist der Meinung, Bioweine seien besser und Naturweine die heilige Medizin. Sein Nachbar hingegen hält Sortenreine Weine für aufrichtiger als Cuvees, während dessen Bruder Luigi behauptet, nur die Italiener könnten anständigen Wein machen. Und dann gab es diese junge Dame, die letzten Sommer in die Weinabteilung kam und nach einem Wein für „einfach so auf der Terrasse“ fragte. Ihr Freund hatte gesagt, Amarone sei ein guter Wein. „Natürlich! Aber nicht bei 40 Grad im Schatten!“ musste ich herausplatzen. Denn bei solcher Hitze könnte diese 17 Volumenprozent-Alkoholbombe eher tödlich sein. Ein frischer, lokaler Blauburgunder wäre angemessener, vielleicht sogar ein Rosé. Aber sie wollte nicht hören. Sie verließ den Laden mit ihrem Amarone. Ob sie überlebt hat, weiß ich nicht. Ich habe sie nie wiedergesehen. „Sideways“ ist jetzt 20 Jahre alt, und ich begegne dem Film nur noch selten. Letztens sah ich einen älteren Herrn vor dem Bordeauxregal stehen und er schien schockiert zu sein, dass Merlot eine Haupttraubensorte für diese edlen Weine ist. Er meinte, Merlot sei doch eigentlich gar nicht so toll. Er habe da neulich was im Fernsehen darüber gesehen.

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