Vor dem erlesenen Schrein mit den kostbarsten Weinen dieser Welt stehen immer mal wieder Kunden und träumen sehnsüchtig davon, einen dieser edlen Tropfen ihr Eigen nennen zu dürfen. Welche flüssigen Kostbarkeiten müssen sich in diesen Flaschen verbergen! Sie blicken auf die edlen Flaschen wie Kinder vor dem Süßwarenladen und denken: „Wenn ich doch nur mehr Geld hätte!“
Dabei kann man auch mit genügend Geld nicht allen Genüssen frönen. Im Gegenteil! Gewisse Freuden bleiben einem sogar ausgerechnet wegen des Geldes verwehrt. Neulich hatte ich eine Begegnung, die das auf köstlich ironische Weise bestätigte. Da war diese Kundin, die offensichtlich sehr reich war. Das sah man von Weitem. Typisch Züriberg. Selbst ihr Parfüm roch nach Geld. Sie probierte einen unserer Weine und sofort war sie hin und weg. Sie hätte ihren neuen Lieblingswein gefunden, liess sie lautstark verlauten. Begeistert pries sie den Wein an unserem Degustationspult unter den anderen Kunden an und ihr Enthusiasmus sprudelte förmlich über. Dann kam die entscheidende Frage: „Wie viel kostet dieser Wein?“ Mit einem charmanten Lächeln antwortete ich: „15 Franken.“ Ein kurzer Moment der Stille folgte. Dann, ohne ein weiteres Wort, verschwand sie so lautlos wie ein Geist in einer stillen Nacht. Hätte ich „75 Franken“ gesagt, hätte sie ein Dutzend Flaschen davon mitgenommen! Wäre es nicht so amüsant, hätte es beinahe tragisch sein können. Denn irgendwie tat mir die Dame auch etwas leid. Mein einfacher, leichter Sommerwein muss eine wohltuende Abwechslung zwischen all den schweren und hochkomplexen Spitzenweinen gewesen sein, zu denen sie von ihrem Umfeld förmlich genötigt wird. Jugendlich, ungestüm, doch leider nicht Standesgemäss. Ein Wein, der nur 15 Franken kostet, kann nicht die Schwelle eines Hauses überschreiten, dessen Teppich im Eingang mehr kostet als meine Wohnung. In der Welt des Überflusses ziemt es sich nicht etwas einfaches gut zu finden. Man ist sich schliesslich anderes gewöhnt. Was, wenn ihr Mann den Wein auch mag und den Preis der Flasche in einer illustren Runde erfragt? Eine Peinlichkeit ohnegleichen! Als ob man sich keinen anständigen Wein leisten könnte! Oder schlimmer noch, was, wenn ein Gast den Wein kennt und den erschwinglichen Preis verrät? Laufen die Geschäfte doch nicht mehr so gut? So ein Wein kann Millionendeals platzen und Aktienkurse abstürzen lassen! Ein flüssiger Super-GAU in der Welt des Luxus!
Daher, lasst uns gute, günstige Weine geniessen. Wir wissen, dass die Reichen sich die teuersten Weine leisten können. Aber diese Freude bleibt ihnen verwehrt.